Page 172 - PCL Winter 2016
P. 172

Mandalay
In der Mitte angekommen: politisch, kul- turell und landschaftlich. Mandalay ist mit knapp 1,6 Millionen Einwohnern die zweit- größte Stadt in Myanmar.
Keine Wolkenkratzer strecken sich in den Himmel wie in anderen aufstrebenden asia- tischen Großstädten. Viele Straßen sind nicht geteert. Der breite Strom des Ayeyar- waddyflusses ist die Lebensader von My- anmar und Handelsweg, Wäscherei und Büffelbadestelle von Mandalay. Am Ufer drängen sich Bambushütten windschief und immer bedroht von den Fluten, besonders jetzt im Mai, wo bereits schwere Wolken die nahende Regenzeit ankündigen. Haus- boote und flache Kähne gleiten an Frauen
Geblieben ist der „Goldrausch“. Der Be- darf der Einheimischen nach Gold ist gi- gantisch. Mandalay gilt als Stadt des Handwerks. Jede Zunft hat ihr Viertel. Zig Familien haben sich, über die Jahrhunderte hinweg, darauf spezialisiert und fertigen Blattgold. Das Gold, gewaschen aus den Fluten des Ayeyarwaddys, wird in Rehleder gewickelt und sorgfältig zwischen Bam- bus- und Reisstrohpapier geschichtet. In alter Tradition schlagen abwechselnd Kin- der und kräftige junge Männer, bekleidet mit einem Longhyi (Winkelrock), in den Händen einen schweren Steinhammer, auf die kleinen Lederpäckchen. Moderne Hilfs- mittel oder gar Maschinen sind verpönt und entsprechen nicht dem buddhistischen
so, ihr Karma, ihr Lebenskonto der guten Taten damit aufbessern zu können, auch wenn sich viele gerade mal die tägliche Reis- portion leisten können.
Ein paar Straßenzüge weiter meißeln Män- ner Buddha Statuen aus Marmor, wahl- weise breit grinsend für den Export nach China oder milde lächelnd für den heimi- schen Markt.
Ein paar Meter weiter zerschlagen und po- lieren junge Männer grüne Jade-Stein- brocken. Andere schnitzen vollkommen in ihre Arbeit versunken an einer Elefanten- Pyramide aus Teakholz. Mit einfachsten Werkzeugen dauert die Herstellung Wochen bis Monate. Zeit – das ist das, was alle im Überfluss haben. Weitere Straßen säumen
mit bunten Turbanen vorbei, die auf Bam- busflößen sitzen und ihre Wäsche ins gelb- braune Wasser tauchen. Der Fluss begrenzt das Zentrum der Millionenstadt im Westen, im Norden erhebt sich Mandalay Hill, ein 236 Meter hoher Hügel, der der Stadt ihren Namen gab.
Früher, ja früher war die „Goldene Stadt“ für kurze Zeit die Hauptstadt des birmesi- schen Königreichs. Vom Zauber Manda- lays, wie er in alten Reiseberichten be- schworen wird, ist nach dem II. Weltkrieg zwischen Briten und Japanern nicht viel übriggeblieben. Tausende Pagoden und Klöster, selbst der Königspalast Mandalay Fort wurden, bis auf klägliche Reste der Außenmauer, zerstört. Einiges wurde je- doch in den letzten Jahren wiederaufge- baut. Statt Teakholzhäuser säumen jetzt Betonbauten die Straßen.
Glauben. Außerdem ist Menschenarbeit billiger und bringt Beschäftigung für das arme Land. Insgesamt neun Stunden (!) hämmern sie so auf ein 25 Gramm schwe- res 24-karätiges Gold ein, bis die Blättchen so dünn sind, dass sie in der Luft schweben könnten. Statt einer Armband- oder Wand- uhr dreht sich in einer Blechschüssel mit Wasser eine langsam sinkende Kokosnus- shälfte und teilt so die Zeit in 15-Minu- ten-Abschnitte ein. Dann wechseln sich die Männer ab. Der letzten Schicht ist es gegönnt, sich mit einem Betelnuss-Paket in der Wange von der Schwerstarbeit zu erho- len und sich dem „göttlichen“ Karma hin- zugeben. Mit diesem hauchzarten Blattgold sind die unzähligen Pagoden, Stupas und Buddha-Statuen, die das Land übersäen, be- klebt. Die buddhistischen Gläubigen – im- merhin 90 Prozent der Burmesen – hoffen
Bronzegießer, Holzschnitzer, Marionetten- hersteller, Seidenweber, Mädchen und Frauen, die mit ihrem beigefarbenen Thanaka-Sonnenschutz im Gesicht (aus der Rinde gemahlene feine Paste) „lustig und exotisch“ aussehen und gebeugt über qua- dratmetergroße Stickereien aus goldenen Fäden sitzen. Alles ist handmade. Allen darf man über die Schulter sehen und ihr Kunsthandwerk bewundern.
Mahamuni Pagode
Neben dem „Goldenen Felsen“ und der Shwedagon Pagode zählt die Mahamuni Pagode zu den Hauptpilgerzielen in My- anmar. Sie ist das religiöse Zentrum der Stadt. Hunderte von Glöckchen hängen an ihrer goldenen Dachspitze. Die Besucher ziehen Schuhe und Strümpfe am Eingang der Pagode aus (gilt für alle religiösen Bau-
172 PCLIFE 04 I 2016
FINEST-ONTOUR.DE


































































































   170   171   172   173   174