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Gourmet | Noma
Kulinarische
Nordschleife
TEXT: Derk Hoberg | BILDER: Derk Hoberg, Ditte Isager
Zeit und Raum bestimmen das Menü: Wir haben dem Noma vor der Pandemie einen Besuch abgestattet.
Empfindlich kühl ist es bei unserem Besuch im wohl berühm- testen Restaurant der Welt, Anfang Februar in Kopenhagen. Umso willkommener deshalb der warme Begrüßungsdrink im Gewächshaus, gewissermaßen der Empfangshalle des neuen Noma. Seit dem Umzug 2018 kocht René Redzepi hier im Stadt- teil Chistianshavn, umgeben von Wasser, Schilf und restaurant-
eigenen Gärten, in denen al- lerlei angebaut wird. Genau wie in den Gewächshäusern, in denen aber auch histori- sche Artefakte aus der Ver- gangenheit des Restaurants zu bestaunen sind – aus der Zeit, als das Noma noch im Zentrum Kopenhagens lag und Redzepi von dort aus be- gann, kulinarisch für Furore zu sorgen. So erinnern der im
Einmachglas eingelegte Oktopus und anderes Getier unwillkür- lich an den Biologie-Unterricht. Tatsächlich handelt es sich je- doch um einen frühen Fermentationsversuch Redzepis. Dessen Manifest, ausschließlich mit skandinavischen Produkten zu ko- chen, erfordert hier und da doch eine gewisse Findigkeit im Um- gang mit den heimischen Lebensmitteln – vor allem in der Win-
tersaison, wenn hier oben rund um den Öresund partout nichts mehr wachsen will. Heute, 18 Jahre nach Eröffnung des Noma, viermal Platz 1 auf der Liste der World´s 50 Best Restaurants und zwei MICHELIN-Sterne später, ist der Spitzenkoch weiter. Am neuen Standort ziehen er und sein Team sogar auf dem Dach einen Teil ihres Gemüses selbst – die eigenen Bienen-
Derk Hoberg im Noma Gewächshaus
stöcke leisten ihren ge- deihlichen Beitrag dazu. Auch was die Fermen- tation angeht, also das Haltbarmachen von Lebensmitteln mit Hilfs- mitteln wie Milchsäure, Schimmelpilzen, Alkohol oder Essigsäure, hat Redzepi enorme Fort- schritte gemacht. Seine Forschungen machen es
ihm nun möglich, neue Aromen zu kreieren und das, was im kühleren Norden verfügbar ist, haltbar zu machen. Dennoch soll im Noma alles genau dann auf den Tisch kommen, wenn es Hochsaison hat. Deshalb serviert Redzepi im Sommer aus- schließlich frisches Gemüse, im Herbst bestimmen der Wald und seine Bewohner die Speisekarte, im Winter das Meer.
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