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EDITORIAL I 03 / 2015
Sind wir nicht alle ein bisschen paradox? Im neuen Sprachgebrauch würde sich das so anhören: „Hey, biste gaga, hey?“ Konsumforscher von heute haben es
schwer uns in eine Schublade zu stecken. Sie nennen das die „Diversität der postmodernen Konsumgesellschaft“. Ups sagte einer, dessen Einkaufsgewohnheiten ich unlängst mit dem eines „paradoxen Kunden“ verglich. Er meinte: Was ist so unnormal, wenn man mit dem „großen Auto“ bei Aldi vorfährt und gleich ne- benan (wie z. B. auf der „Kö“ in Düsseldorf ge- sehen) bei Gucci einkauft? Das eine brauch ich, das andere will ich.
Wirtschaftsgeografen (ja, so eine Berufsgruppe gibt es wirklich), bescheinigen ein „gesell- schaftliches Phänomen“ mit einem Kaufverhal- ten, dass früher nur der Ober- bzw. der Unter- schicht zugeordnet wurde. Wenn wir heute so paradox einkaufen wie am Beispiel „Kö“ beschrieben, dann werden sich unsere Innen- städte, unsere Autofahrgewohnheiten genauso grundlegend ändern wie wir unser Kaufverhal- ten bereits verändert haben. Für uns Münchner (noch) unvorstellbar, ein Discounter in der Ma- ximilianstraße. In Augsburg liegt der H&M La- den gleich neben dem Apple-Store und die iri- sche Textil-Billigkette Primark hat sich mit ihren Wegwerfklamotten in Kaiserlautern und Saar- brücken in den besten Lagen eingenistet. Fazit dieses high and down Spagats: Tendenz weiter rasant steigend. Es erspart dem Konsumenten die Wegstrecken vom lustvollen Shoppen zum schnöden Einkaufen.
Die Verschmelzung von beiden lässt der Mittel- schicht dazwischen keinen Platz mehr. Niemand will mehr Mittelmaß sein. (SZ 12.9.2015). Wir konsumieren, was wir sein möchten: Qualitäts- käufer, Schnäppchenjäger, Smart-Shopper.
Übertrage ich das auf uns Leser/innen des PCLife Magazins, kann ich nur sagen: „Wir sind voll krass dabei“. Natürlich will und werde ich Sie, uns nicht als Trendsetter qualifizieren. Dazu sind wir doch (größtenteils) viel zu solide. Bodenständig sowieso. Wir haben, (weil kal- kulierbar) alles ausgereizt auf unserem Weg nach „oben“. Und... wir hatten das Quäntchen Glück, ohne das nichts geht.
Heute beeilen wir uns genauso wie die ande- ren, um ja kein Schnäppchen aus zu lassen. Wir lassen, trotz „totaler“ Arbeitsüberlastung alles liegen und stehen, jetten mal schnell nach Mailand oder zum Sonnenuntergang nach Sylt. Ein Tagesausflug von Esslingen nach München zum Herrenausstatter? Warum nicht? Dafür befragen wir auf der Rückfahrt
die „Benzin-Spar-APP“. Wer kann, tankt in den Abendstunden. Dann ist es bis circa 20 Uhr meistens um einige Cent billiger.
Bezogen auf unser Porsche Clubleben ist es – seien wir ehrlich – doch genauso. Die semi- professionellen Rennfahrer unter uns fahren – so wie jetzt wieder bei den Porsche Club Days in Hockenheim zu beobachten – mit ihren dicken Brummern (LKW) und Servicemann- schaften an den Ring (die übrigen PSC und PCHC-Serien und Rennstrecken mit einge- schlossen). Man positioniert sich direkt an seiner Box hinter der Boxengasse und entlädt seine Boliden, die im Anschaffungspreis, einschließlich etlicher Umbauten, schon mal eine hohe sechsstellige Summe kosten (kön- nen). Parallel dazu gibt es kostenlos fleißige Hände. TV-Gerät und Soundanlage werden aufgebaut, der Grill wird angeheizt. Das Grill- fleisch kommt selbstverständlich vom Bio- metzger, der Sprudel ist von Lidl.
Wir sind flexibel geworden in unserem Tun und Handeln und wir finden das gar nicht (mehr) paradox. Vom hektischen Berufsalltag wechseln die meisten der Motorsportler an- satzlos in die „Betriebsamkeit“ eines Renn- wochenendes.
Sie sehen eher darin einen Ausgleich zum stres- sigen Job und möchten einfach nur Spaß haben und das Adrenalin, das durch die Adern rauscht „spüren“. Sie wollen um Punkte und Sekunden kämpfen, wir sind hier, um zu siegen.
Eine Spur noch professioneller ist auch der Porsche Sports Cup auf den europäischen Rennstrecken unterwegs.
Für eine kleine Sensation sorgte ein „Oldie“. Dass der Ex-Präsident des PC Isartal, Günther Brenner im „mittleren Rentenalter“ mit seinem „betagten“ 996 GT3 Cup Auto beim Porsche Sports Cup auf dem Red Bull Ring siegen kann – gegen die jungen Sportfahrer mit ihren neueren Boliden – das macht Mut! Mut und Ansporn für die, die ihm folgen werden, frei nach dem Motto: Alter – roste(t) nicht. Lesen Sie auf 30 (!) Seiten die motorsportlichen Hig- hlights der letzten Monate, ab Seite 14.
Porsche Clubmitglieder, die eher der Gesellig- keit zugeneigt sind, nutzen die Angebote des Porsche Club Deutschland und fahren, so wie in diesem Jahr, hunderte von Kilometern, um das Clubleben zu leben. Sie möchten „einfach so“ dem Freund, der Bekannten aus dem Vor- jahr wieder Hallo sagen. Die weltoffene Stadt Dresden bot dazu den Background. Chapeau – das war ein denkwürdiges Zusammentreffen. Tradition und Fortschrittsdenken, geschicht-
strächtige Kulturstätten, wie Residenzschloss und Münze, Semperoper, Zwinger, Frauenkir- che und vieles mehr. Und wir mit unseren Porsche mittendrin. Das 11. Porsche Club Deutschlandtreffen in Dresden habe ich auf 26 Seiten dokumentiert. Ein Stück Zeitgeschichte für die 5.000 Jahre alte Stadt, für das Archiv des PCD und natürlich für die, „die hautnah mit da- bei waren “. Ab Seite 56.
Schon einmal etwas von der britischen Riviera gehört, gelesen, gesehen? Wenn nicht, dann mag allein das Wort GOODWOOD wie eine Fanfare im Kopf derer klingen, die sich für alte Autos interessieren. Ebenso die Land- schaften im Süden Englands lieben und very British über manchen Spleen ihrer Bewohner schmunzelnd hinwegsehen. Gleich zwei Clubs haben sich aufgemacht, um das Spektakel im Besonderen und die Umgebung drum herum zu er-fahren. Ja – auch die britische Insel hat ihren ganz besonderen Reiz. Spielt das Wetter mit, wird der Süden Englands zur „Côte d’Azur“. Den direkten Vergleich zur französischen Ri- viera gibt es postwendend auf den Folgesei- ten. Der PC Tegernsee hatte sich dort ausgie- big „umgesehen“. Etwas nördlicher sind die „hängen“ geblieben, die nur eines im Sinn hat- ten: Pässe er-fahren. Was wäre das auch für eine Herbstausgabe, wenn wir nicht auf vielen Seiten über die schönen Porsche Club Aus- fahrten „Südlich der Alpen“ berichten würden. Die Europa-Clubausfahrten ab Seite 82.
Haben Sie es mit dem Lesen, dem Durchblättern bis zur Seite 113 geschafft, dann sind SIE „Zeit- zeuge“. Denn niemals zuvor in der fast 30-jähri- gen Geschichte Ihres PCLife Magazins ist eine Ausgabe mit so vielen Porsche Seiten erschienen. Und wie ist das nun mit Ihrem, unserem „pa- radoxen Verhalten“? Ganz einfach: Auf den weiter folgenden über 50 Seiten erfahren Sie das, was Porschefahrer tun, wenn Sie NICHT in einem Porsche sitzen. Viel Spaß.
In diesem Sinne
Ihr
Frank J. Gindler Chefredakteur Frank@Gindler.de
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